
Gedenken an das Ende des zweiten Weltkriegs in Europa vor 80 Jahren
Rede des Oberbürgermeisters Dr. Thomas Nitzsche
Sehr geehrte Damen und Herren,
seien Sie herzlich willkommen zu unserer Gedenkveranstaltung anlässlich des Tages der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Endes des 2. Weltkrieges in Europa. Heute vor 80 Jahren war dieses besondere Ereignis, das endlich Deutschland und Europa Frieden und das finale Ende des nationalsozialistischen Regimes brachte.
Achtzig Jahre später leben wir in einer Welt, in der die Erinnerung an die unvorstellbaren Schrecken dieses Krieges allmählich zu verblassen scheint. Es sind kaum noch Zeitzeugen unter uns, die uns mahnen, dass sich das, was damals geschah, nicht wiederholen darf.
Stattdessen ringen wir in der alltäglichen Politik mit Verharmlosungen der nationalsozialistischen Verbrechen und einem Wiedererstarken des Antisemitismus in einem Ausmaß, wie es sich die meisten von uns hier wohl nicht hätten vorstellen können.
Hinzu kommt, dass nun schon seit dreieinhalb Jahren der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine tobt. Die über Jahrzehnte bestehende Sicherheitsarchitektur der westlichen Welt ist ins Wanken geraten. Unsicherheit greift um sich und wird verstärkt durch einen für viele kaum erträglichen Wandlungs- und Anpassungsdruck auf unsere Gesellschaft durch Klimawandel und wirtschaftliche Stagnation.
Doch anstatt die Lösung in internationaler Zusammenarbeit zu suchen, für die Frieden immer die erste Voraussetzung ist, scheinen derzeit viele ihre Hoffnung auf Nationalismus und Isolationismus zu setzen – genau das Gegenteil dessen, was die Lehren der schrecklichen kriegerischen Auseinandersetzungen in der ersten Hälfte des 20. Jh. sein sollten.
Der 08.05.1945 war der Tag der deutschen Kapitulation, der Tag an dem der Krieg und die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland endeten. Auf dem europäischen Kriegsschauplatz schwiegen endgültig die Waffen. Jena war bereits vier Wochen vorher befreit worden, als US-amerikanische Truppen am 12. bzw. 13.04.1945 von Westen kommend die Johannisstraße entlang zogen und gen Osten die Stadt besetzten.
In den sechs Kriegsjahren hatten geschätzte, unfassbare 55 Millionen Menschen ihr Leben gelassen. Städte und Landstriche waren in einem kaum vorstellbaren Ausmaß zerstört. Jeder hat die Bilder von Berlin oder Dresden, Warschau oder Kaliningrad, Coventry oder Manchester, Wolgograd oder Leningrad im Kopf.
Mit großem Abstand hatte die Sowjetunion mit rund 24 Mio. Menschen (knapp 10 Mio. Soldaten und ca. 14 Mio. Opfer in der Zivilbevölkerung), die meisten Opfer zu beklagen. Dies sind kaum vorstellbare Zahlen, mehr Menschen als in den neuen Bundesländern und Berlin zusammen leben.
Die Ukraine, als Teil der Sowjetunion, traf mit Abstand der größte Blutzoll: mindestens acht Millionen Kriegsopfer, darunter über fünf Millionen Zivilisten, Frauen und Kinder, die im deutschen Vernichtungskrieg von der SS oder der Wehrmacht ermordet wurden.
Diese schrecklichen Zahlen schließen auch 1,6 Mio. Juden ein, die im Holocaust auf dem Gebiet der Ukraine von den Nazis durch Erschießungen umgebracht wurden.
Der Krieg fand auch in Jena statt. Kurz vor Kriegsbeginn am 1. September 1939 gehörten knapp 2.200 Jenaer Bürger der Wehrmacht und dem Reichsarbeitsdienst an. In den Zeitungen erschienen bald die ersten Todesanzeigen für gefallene Soldaten, manche getragen von der Trauer des Verlusts, andere von nationalsozialistischen Floskeln.
Die Zahl der Kriegstoten stieg nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 deutlich an. Wie viele Jenaer als Angehörige der Wehrmacht, der Waffen-SS und Polizei oder des berüchtigten Polizeibataillons 311 ihr Leben verloren, ist unbekannt. Vermutlich waren es über 2.000 Menschen.
Die Jenaer Zivilbevölkerung nahm in den Kriegsjahren erheblich zu, zunächst durch den Zuzug von Arbeitskräften, später durch ausgebombte Familien und Flüchtlinge, die in der Stadt Zuflucht suchten.
Mehr als 100 Jenaer Bürgerinnen und Bürger wurden Opfer der Shoa, indem sie in die Vernichtungslager im Osten deportiert wurden oder ihrem Leben selbst ein Ende setzten, um diesem Schicksal zu entgehen.
Mindestens 60 Menschen starben durch das Mordprogramm „T4“, mit dem psychisch Kranke oder vermeintlich Kranke und Behinderte in die Tötungsanstalt nach Pirna-Sonnenstein gebracht wurden.
Als Industriestandort wurde auch Jena ein Angriffsziel der Alliierten. Während des Bombenkriegs 1943 bis 1945 wurde die Jenaer Innenstadt mehrmals schwer getroffen. Insgesamt starben hierbei fast 800 Menschen, darunter mehr als 100 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.
Am 11. April 1945 trieb die SS mehr als 4.000 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald auf dem Todesmarsch durch Jena. Mindestens zwei Dutzend Menschen starben dabei hier in der Stadt.
Nicht zuletzt wurde der Krieg in Jena sichtbar anhand der mehr als 14.000 Zwangsarbeiter, die hier für ca. 320 Arbeitgeber arbeiten mussten.
Nicht zufällig haben wir uns heute hier versammelt an der Gedenkstele, die seit 2014 an das Jenaer Lagersystem zur Zeit des Nationalsozialismus erinnert. Ich freue sehr, an dieser Stelle Herrn Dr. Marc Bartuschka begrüßen zu dürfen. Marc Bartuschka studierte in Jena Geschichte und wurde auch hier promoviert.
Seine Forschungsschwerpunkte waren und sind auch heute die Weimarer Republik und die NS-Zeit. So hat er sich auch für Jena sbesonders der Aufarbeitung der Zwangsarbeit gewidmet und wird hierzu zu uns sprechen.
Sehr geehrter Herr Bartuschka, seien Sie herzlich willkommen!
Die Jenaer Verstrickungen der damaligen Zeit und die Verantwortung, die sich daraus ableitet, wird deutlich, wenn wir schauen, was konkret hier in unserer Stadt, vor unserer Haustür, in unserer Straße oder unserem Viertel passiert ist.
NS-Verbrechen sind auch in Jena verübt worden oder konnten durch die Zuarbeit von Jenaer Fachleuten, Wissenschaftlern, Verwaltungsangehörigen und anderen in die Tat gesetzt werden. Jenaer Bürgerinnen und Bürger wie auch Menschen aus anderen Städten und Ländern wurden hier zu Opfern.
Sehr viele Jenaer Bürgerinnen und Bürger haben weggesehen oder die sichtbaren Verbrechen hingenommen.
Es geht an dieser Stelle nicht darum zu richten. Niemand von uns weiß mit Sicherheit, wie er oder sie sich an dieser Stelle verhalten hätte. Das konkrete Hinsehen wirft vielmehr immer wieder neu die wichtige Frage auf, wie diese Verbrechen geschehen und zugelassen werden konnten. Wie und warum verhielten sich damals die Jenaerinnen und Jenaer so?
Und daraus folgt ganz unmittelbar: Wie gehen wir heute mit den Bedrohungen unserer freiheitlichen Demokratie und der garantierten Menschen- und Bürgerrechte um? Wie können wir Junge wie Alte bestärken, die humanistischen Werte unserer demokratischen Gesellschaft zu bewahren?
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Deutschland und so auch in Jena brauchte es Zeit, die Bedeutung und Tragweite des 8. Mais 1945 als Tag der deutschen Kapitulation vollends zu begreifen. Zu tief saßen die Schuld und die Scham, mit verantwortlich zu sein für Völkermord und das Grauen des Krieges und der Diktatur, und sei es durch Passivität und Wegschauen.
Die Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die mit dem Zusammenbruch des NS-Regimes im Frühjahr 1945 stattfand, ist nicht gleichzusetzen mit der Befreiung von nationalsozialistischem Gedankengut. Diese Auseinandersetzung bleibt uns auch heute und künftig als dauernde Aufgabe.
Der Kampf gegen menschenverachtende Werte, gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und Diskriminierung und für unsere Demokratie ist ein fortwährender Prozess. Wir Demokraten müssen einstehen für die Grundwerte unserer Gesellschaft und die Würde eines jeden Menschen.
Ich danke Ihnen für Ihr Kommen und übergebe nun das Wort an Dr. Marc Bartuschka.
Rede von Dr. Marc Bartuschka
Die bedingungslose Kapitulation NS-Deutschlands liegt inzwischen 80 Jahre zurück – mehr als genug Zeit, dass sich inzwischen bei weiten Teilen der Bevölkerung die Einsicht durchgesetzt hat, dass dies wirklich eine Befreiung war. Dies ist eine Erkenntnis, mit der viele Deutsche zunächst haderten, und die auch heute mitunter am rechten Rand in Frage gestellt wird. Auch wenn in Westdeutschland Richard von Weizäckers Worte 1985 immer noch als Zäsur empfunden wurden, in Ostdeutschland galt dieses Diktum schon wesentlich früher flächendeckend, wenn auch nicht ohne ideologische Einschränkungen und Besonderheiten.
Der Tag ist symbolisch hoch aufgeladen, setzte er doch den Schlusspunkt unter die NS-Diktatur, auch wenn man mit Fug und Recht andere Tage auf lokaler Ebene erinnern kann. Natürlich hing die eigentliche Befreiung von der militärischen Situation ab, für Jena wäre dies der 12./13. April, als die Stadt von den Truppen der 80. US-Infanteriedivision schrittweise und begleitet von sporadischen Kämpfen befreit wurde.
Für viele Deutsche ist es 1945 indes erst einmal kein Tag zur Freude. Zwar haben sich zunehmend viele gedanklich von Krieg und Diktatur zu distanzieren begonnen, die sie so lange bereitwillig bis enthusiastisch mitgetragen haben. Dies geschah freilich nicht aus moralischer Einsicht in die verbrecherische Natur von beidem, sondern angesichts der offenkundigen Niederlage. Zudem ist es auch in Jena so, dass gerade die letzten Tage noch einmal zeigen, wie menschenverachtend das Regime wirklich ist, und wie bereitwillig sich viele an diesen Verbrechen beteiligt haben, auch ganz gewöhnliche Deutsche: Da sind die Polizisten, die unmittelbar vor Kriegsende zwei, eventuell auch drei ausländische Zwangsarbeiter am heutigen Puschkin-Platz erhängen, und welche die SS unterstützen, als diese am 11. April tausende KZ-Häftlinge durch die Stadt treibt und zahlreiche ermordet. Gleiches gilt für etliche Jenaer Bürger im Volkssturm, die im selben Zeitraum zwei Zwangsarbeiter in Lobeda ermorden, vor allem aber am 12. April zwei Dutzend KZ-Häftlinge in Großlöbichau erschießen, buchstäblich das Kriegsende vor Augen.
Dies sind keine Verbrechen, die von „typischen“ Vollstreckern des Regimes wie SS-Wachmannschaften oder Gestapo-Angehörigen begangen werden, sondern von ganz gewöhnlichen Jenaern – etwa Reichsbahnangehörigen und Zeissianern. Jugendliche betätigen sich als Helfer und Denunzianten, bis zuletzt.
Natürlich gibt es andererseits Deutsche, die bereits 1945 im Ende der NS-Diktatur Befreiung erkennen können. Da sind jene, die sich in Opposition zum NS-Regime befinden. Dies bleibt die Haltung einer Minderheit, gewiss, von denen viele aus dem Umfeld der verbotenen Parteien SPD und KPD stammen, aber auch Vertreter des Bürgertums. Der Anschlag auf die Kreisleitung der NSDAP Ende März 1945 ist eine deutliche Erinnerung an das Vorhandensein eines Deutschlands, das sich nicht dem Nationalsozialismus verschrieben hat oder sich zumindest passiv wegduckt. Und dies ist keineswegs der einzige Akt des Widerstandes, wie illegale Flugblattaktionen und dergleichen mehr belegen. Sie alle setzen große Hoffnungen in einen Neuanfang nach dem Krieg, wobei die Vorstellungen weit auseinandergehen.
Und unmittelbare Befreiung, Befreiung von direkt erfahrener Unterdrückung, ist es für jene, die unter dem Repressionsapparat des Regimes gelitten haben, etwa aufgrund rassistischer oder politischer Verfolgung. Schließlich sind zahlreiche Jenaer Bürger in Haftanstalten, Konzentrationslager und – namentlich im Falle jüdischer Deutscher – Ghettos und Vernichtungslager verschleppt worden.
Einige Menschen in Jena können überhaupt erst jetzt aus dem Untergrund auftauchen, in dem sie sich vor Polizei, Volkssturm und Wehrmacht versteckt haben. Dies gilt für eine Handvoll ehemaliger KZ-Häftlinge von den über 1000 Insassen des Jenaer KZ-Außenlagers des Reichsbahnausbesserungswerkes, das nicht weit von hier stand. Diese Männer hatten sich bei der Zwangsräumung des Lagers in der ersten Aprilwoche versteckt. Und natürlich gilt gleiches für die Überlebenden des Todesmarsches vom 11. April 1945, in deren Ohren die Schüsse der SS noch widerhallen.
Aber auch jenseits der KZ-Häftlinge sind es mindestens um die zehn Prozent der 1945 in Jena lebenden Menschen, die zwangsweise hierher gebracht worden bzw. hier festgehalten wurden und als Menschen zweiter oder dritter Klasse arbeiten mussten: Die zivilen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen.
In den Kriegsjahren haben ihre Lager und Einsatzorte wie ein Spinnennetz der Ausbeutung ganz Jena überzogen, finden sich doch Lager von Löbstedt bis Göschwitz, zwischen Jena-Ost und dem Mühltal, und in allen der Dörfer die später eingemeindet wurden. Insgesamt um die 50 bis 60 mögen es am Ende gewesen sein. Metastasengleich ist der Zwangsarbeitereinsatz in jeden Aspekt des Alltagslebens eingesickert, lassen sich doch für die Saalestadt und umliegende Ortschaften mehr als 300 Einsatzorte nachweisen. Nicht nur jene Jenenser, die direkt Zwangsarbeiter beschäftigen, haben von ihrer Gegenwart unmittelbar profitiert, wäre doch der deutsche Alltag, der bis fast zuletzt vergleichsweise gut funktioniert, ohne sie niemals aufrechtzuerhalten gewesen. Dies reicht von grundlegenden Dienstleistungen über die Versorgung mit Lebensmitteln bis hin zur Räumung von Trümmern nach Luftangriffen.
Nachgewiesen sind 1940-1945 ca. 14.000 zivile Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, Männer und Frauen aus fast ganz Europa, die in Jena bei weitem nicht nur in der Rüstungswirtschaft arbeiten. Carl Zeiss, Jena und das Jenaer Glaswerk Schott & Genossen sind naturgemäß die wichtigsten Einsatzorte, doch finden sie sich in jeder Branche, in jeder Straße.
Dazu kommt noch eine Anzahl deutsch-jüdischer Männer, möglicherweise mehrere hundert, die als so genannte „Jüdische Mischlinge I. Grades“ oder „Jüdisch Versippte“ im Herbst 1944 für Bauvorhaben der Firmen Jenaer Glaswerk und Carl Zeiss zwangsmobilisiert wurden. Eines ihrer Lager liegt vielleicht einen Kilometer Luftlinie von hier entfernt auf dem Sportplatz in Jena-Ost.
Ihr aller Schicksal unterschied sich von Fall zu Fall, zum Teil drastisch. Es schwankte zwischen einer relativ „normalen“ Behandlung, der nur eines, dies allerdings etwas Entscheidendes fehlte: Freiheit. Doch ebenso konnte es auch voll Hunger und brutaler Misshandlung sein. Vor allem war es stets von Ungewissheit geprägt und konnte jederzeit zum Schlechteren umschlagen – was besonders für die polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter galt, die schlechter versorgt wurden, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, schlechter bezahlt und weit häufiger misshandelt.
Sie haben der Befreiung entgegengefiebert, die Franzosen in einem Lager in der Hermann-Löns-Straße, die noch unmittelbar vor Ankunft der Amerikaner durch Androhung von Waffengewalt gezwungen, eine weiße Fahne wieder einzuholen, die deutsch-jüdischen Männer wie der 18jährige Augsburger Günther Hartmann in seiner Baracke des Zeiss-Lager III. Oder wie die „Ostarbeiterin“ Nina Koslowa, zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt, seit fast drei Jahren Zwangsarbeiterin von Carl Zeiss, Jena, die im Lager VI im Mühltal Hilfe und Solidarität von einzelnen Deutschen ebenso erlebt hat wie das brutale Auftreten des Lagerpersonals, das zudem systematisch die Verpflegung der Zwangsarbeiterinnen unterschlug.
Für viele kommt die Befreiung überraschend: Günther Hartmann erschrickt geradezu, als auf einmal ein US-Soldat vor ihm steht. Doch wo die Männer und Frauen noch Kraft haben, ist dies Anlass zu Freudenausbrüchen, und viele erinnern noch Jahrzehnte später die amerikanischen Truppen mit Dankbarkeit. Für all jene ist es eher der 12./13. April, der mit der Befreiung verbunden ist, auch wenn der 8. Mai symbolisch natürlich stärker aufgeladen ist als Endpunkt des Krieges, der Moment, an dem man wirklich anfangen kann, ein „Danach“ in Angriff zu nehmen.
Die Hypotheken sind freilich hoch – für die ausländischen Befreiten wie auch für die oft unwillig befreiten Deutschen. Jena ist durch Bombardierungen und Kampfhandlungen beschädigt, aber natürlich gilt dies, oft in weit größerem Maße, auch für die Heimatorte der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen.
In der Erinnerung bleiben beide Daten zugleich etwas zwiespältig – die Hoffnungen auf einen (ost)deutschen demokratischen Neuanfang bewahrheiten sich nicht, auch wenn dies keineswegs eine zwangsläufige Entwicklung ist. Die Befreiung durch die Amerikaner wird schon bald in der neuen – wenn auch mit dem NS-Regime nicht ansatzweise gleichsetzbaren – Diktatur von sowjetischen Gnaden, der Deutschen Demokratischen Republik, nicht recht gewürdigt, weil es eben „nur“ die westlichen Alliierten waren und nicht die Rote Armee.
Zugleich gibt es andere, die wiederrum sagen, dass gerade für Ostdeutschland das Kriegsende keine echte Befreiung gewesen wäre – meiner Ansicht nach eine sehr fragwürdige Sicht der Dinge, die leichtfertig nivelliert, was das NS-Regime wirklich bedeutete.
So bleiben der 12./13. April wie der 8. Mai ein Datum das erinnert werden soll und muss, doch mindestens ebenso bedeutsam ist das Davor und Danach, das Erinnern, von was man befreit wurde, und welchen hohen Preis die Westalliierten wie insbesondere die Völker der Sowjetunion zu zahlen hatten, um die Diktatur zu zerschlagen, die für Deutschland selber, viel mehr aber noch für den Rest Europas eine Katastrophe war.
Ein solches Erinnern sollte zugleich niemals vergessen, was hier vor Ort geschehen ist – die Opfer in Jena, aber auch die Taten die hier, und nicht selten von Jenaer Bürgern und Bürgerinnen begangen und gebilligt wurden. Der 8. Mai wird als ein Tag der Mahnung und Warnung bleiben, denn eines darf er gewiss nicht werden – ein Tag der für das „Befreien“ von der Erinnerung steht.
