Dummy link to fix Firefox-Bug: First child with tabindex is ignored

10 Tage – 10 Länder. 19 Etappe: Dubica

25.08.2022

10 Tage(+1)  – 10 Länder.
Eine Reise durch das östliche Europa
19. Etappe: Edina & Edita

Es ist ein Besuch bei Freunden eines guten Freundes, der mir sehr viel bedeutet und mich den Einheimischen näherbringt. Hergestellt hat den Kontakt Christian Stadali, ein ehemaliger Redakteur von Antenne Thüringen. In den 1990ern studierte Christian in Trier und kam dort unverhofft mit Menschen in Kontakt, die vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflüchtet waren. Er engagierte sich in der Hilfe für die Geflüchteten und wurde vielen ein Freund. So auch für Edina und Editha aus dem nordbosnischen Dubica, die 1993 nach Deutschland kamen und sechs Jahre später in ihre Heimat zurückgekehrt sind. 

Als ich Edina und Edita in der Innenstadt von Dubica treffe, stehe ich noch unter den Eindrücken in Srebrenica. Editha nimmt das unmittelbar zum Anlass, sich „zu beschweren“, dass wir zu wenig auf die positiven Entwicklungen im Land blicken. Und so erzählt sie mir etwa davon, dass der bosniakische Sohn einer Freundin unlängst in Srebrenica eine Musikschule eröffnet hat, in die Kinder aller Bevölkerungsteile kommen, zusammen musizieren und Fahrten ins Ausland machen.  

Während unseres Spaziergangs durch das Städtchen berichten beide viele solcher Geschichten, und sie lachen sehr oft. Das tut auch, weil es ansteckend ist. Und es ist wohl dieser Optimismus, den es braucht, um hierhin zurückzukehren und das Martyrium zurückzulassen, das beide erleben mussten. Schließlich handeln ihre Fluchtgeschichten (wie so viele andere auch) vom anfänglichen Unglauben darüber, dass ein Krieg zu ihnen kommen könne – bis die örtliche Brücke Richtung Kroatien gesprengt worden ist. Sie handeln von dem Ringen um eine Ausreise aus der Heimat und von der Angst in vollgepferchten Bussen, in denen Soldaten den Menschen ihren Schmuck stehlen. Und sie handeln von einer langen Odyssee, die sie nach Deutschland brachte, wo sie nicht nur auf Menschen trafen, die helfen wollten. 

1996, drei Jahre vor der Heimkehr, reisten Edina und Edita zusammen mit Christian und weiteren Familienmitgliedern erstmals wieder nach Bosnien, wo sie unter anderem das völlig zerstörte Sarajevo besuchten. Den Gang durch die Stadt haben sie auf Video dokumentiert. Er kann online angesehen werden (https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=Hbh_lYOOLOg). Nicht nehmen lassen wollten sich Editha und Christian seinerzeit einen Abstecher in das von Blauhelm-Soldaten geschützte Dubica – gegen alle Warnungen der Mitreisenden. Sie schafften es vorbei an den Barrieren in die Stadt bis zum Haus der Nachbarin – einer serbokroatischen Lehrerin. Ihr eigenes Haus war von Serben bewohnt und nicht zugänglich. Kurz vor der endgültigen Heimkehr 1999 rissen diese alles von Wert aus dem Gebäude, und sie zerstörten noch mehr. Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Es ist ein schönes Haus, in dem ich die Eltern kennenlerne, sowie mit Garten und Terrasse, auf der wir zusammen Mittag essen. 

Auf die Frage, ob sie den glücklich mit der Entscheidung sind, wieder in die Heimat zurückgekehrt zu sein, antworten beide entschieden mit ja. Das Leben als Bosniaken in Dubica sei sicher nicht leicht. Die drei wiederaufgebauten Moscheen würden stetig Ziel von Angriffen, überall könnten sie uns Zeichen von Nationalisten auf Hauswänden zeigen und es gebe auch hier und da Beleidigungen. Aber das alles sei es Wert, in Kauf genommen zu werden, um in der Heimat zu leben. Ohnehin sind – so versichert Edita mehrfach – die meisten Menschen hier freundlich zu allen Bevölkerungsgruppen. Man feiert zusammen, Orthodoxe heiraten Muslime und kaum jemand ist anderen ein Feind. Das war auch vor dem Krieg schon so; und selbst währenddessen rissen die Kontakte mit den serbischen Freunden nicht ab. Heute ist Edita Patin eines Kindes ihrer serbischen Freundin, wie auch sie Patin eines ihrer Kinder ist. „Völlig normal!“ Sagt sie einmal mehr laut lachend. Ernst wird ihr Blick nur beim Thema Politik, wenn sie über die Gegensätze in der Föderation Bosnien und Herzegowina und der Republik Srpska spricht, und den Versuchen, die bosnische Identität zu verdrängen, indem die Kinder in der Schule allein in serbischer Sprache unterrichtet werden. Der Wunsch beider Schwestern ist es, dass ihr Land geeint wird und alle Bevölkerungsteile die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben. Im Moment scheinen sie davon noch weit entfernt zu sein. 

Nach einem sehr schönen Nachmittag verabschieden wir uns herzlich voneinander. Und wir verabreden unser Wiedersehen – möglicherweise im Jenaer Zukunftszentrum, das auch ein Begegnungsraum für Menschen wie Editha und Edina sein soll. Schließlich ist deren Geschichte eng mit der Deutschen und europäischen Transformation nach 1990 verwoben – während beide als Geflüchtete nach Deutschland kamen, gingen deutsche Blauhelm-Soldaten nach Bosnien, wo sie jeweils Teil der Prozesse waren. 

PS: Kurzfristig absagen musste leider Čima, die wir ebenfalls in Dubica treffen wollten. Sie ist im Verein Friedenswege (putevi mira) aktiv, unterstützt Bosniaken bei ihrer Rückkehr in die Heimat und organisiert gemeinsame Versöhnungsprojekte – vor allem für junge und sehr alte Menschen. Die Arbeit trägt Früchte und ist unterstützenswert! Mehr Informationen gibt die Website: https://tinyurl.com/7bxmrvnb 

Text & Fotos: Christian Faludi 

Zum Hintergrund der Reise:
https://rathaus.jena.de/de/von-jena-aus-10-laender-10-tagen

Edina und Edita bei dem Haus ihrer Großeltern in Dubica