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10 Tage – 10 Länder. 6. Etappe: Czernowitz

18.08.2022

 

 

Eine Reise durch das östliche Europa auf den Spuren von Einheit und Transformation mit Christian Faludi und Tobias Schwessinger

Wir sind in Czernowitz angekommen – ein sicherer Hafen in der Ukraine, in dem aktuell vermutlich um die 100.000 Binnenflüchtlinge gestrandet sind. Die genaue Zahl kennt niemand. Hier treffen wir an der Universität Oxana Matiychuk.

Oxana ist die Leiterin der Ukrainisch-Deutschen Kulturgesellschaft Czernowitz, das zum Zentrum Gedankendach an der Jurij-Fedkowytsch-Universität gehört. Als Mitarbeiterin ist sie im Internationalen Büro für den Austausch mit deutschsprachigen Hochschulen zuständig. Zu Jena hat sie dabei sehr enge Verbindungen, zuletzt über ein gemeinsames europäisches Theater-Projekt, an dem auch die Freie Bühne Jena beteiligt war. Später erzählt sie uns, dass sie gemeinsam in Czernowitz an einem Theaterstück zum Ersten Weltkrieg gearbeitet haben, das auch auf dem Friedensberg in Jena aufgeführt wurde. Viele Menschen aus Deutschland und ganz Europa haben sie in Czernowitz besucht und mit ihr zusammengearbeitet. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine kommt fast niemand mehr.

Wir warten auf Oxana vor den Toren der Universität an denen ein großes Transparent angebracht ist. Als wir sie fragen, was dies bedeutet, sagt sie: „Bunker“. Die Universität besitzt zwei große Luftschutzkeller, in denen die Menschen bei Alarm Schutz suchen können. Bevor wir in ihr Büro gehen, führt sie uns durch die Kellerräume. Lachend zeigt sie auf eine große Zimmerpflanze und mehrere Teppiche. Der Hausmeister versucht, die Bunker etwas wohnlicher zu gestalten. Oxana erklärt, wenn der Alarm während unseres Gesprächs ertönt, sollen wir direkt hier runter gehen. Sie würde dann nachkommen, müsse sich jedoch erst darum kümmern, dass alle anderen ebenfalls den Weg in den Schutzraum finden. Aktuell wären viele Abiturienten in der Universität, die sich für das nächste Semester einschreiben.

Zurück in ihrem Büro erzählen wir kurz von unserer Reise und fragen dann Oxana und Oleg, einen ihrer Mitarbeiter – er hat in Weimar studiert und kennt Jena gut – nach ihrer aktuellen Situation. Wie angesichts des Krieges das Leben an der Universität und ihr Alltag aussieht. Während wir ihnen zuhören, passiert es dann doch: Mitten im Satz ertönt der Alarm. Oxana geht sofort ans Telefon und benachrichtigt alle in der Universität. Wir gehen in den Bunker.

Nach einigen Minuten kommt auch Oxana und wir führen unser Gespräch weiter. Zwischen uns die Zimmerpflanze, die der Hausmeister aufgestellt hat. Im Raum nebenan vertreiben sich Studenten beim Tischtennis die Zeit. Oxana erzählt von der Solidarität der Menschen in der Ukraine, die sich gegenseitig und vor allem die Soldat:innen an der Front – die hier meist „bei Null“ genannt wird – mit allem unterstützen, was in ihrer Macht steht. Später zeigt sie uns Pakete mit „Notkompressen“ und Wasserfiltern im Büro ihres Kollegen. „Abschiedsgeschenke“ für Kolleg:innen und Freund:innen, die eingezogen werden.

Über das Zukunftszentrum sprechen wir nur noch am Rande. Dennoch betont Oxana, wie wichtig gerade jetzt der gegenseitige Austausch ist. Wir verabreden, das Band für eine engere Kooperation zwischen den Institutionen in Czernowitz und Jena wieder enger zu knüpfen. An der Gestaltung eines Zukunftszentrums, wünscht sie sich, teilhaben zu können. Um die Menschen näher zusammenzubringen, sagt sie. Miteinander zu reden, dem anderen zuzuhören, wäre heute wichtiger denn je. Für die Zukunft wünscht Sie sich, dass die Ukraine in ihren alten Grenzen von den russischen Invasoren befreit wird und sie wieder in ihrer Heimat leben kann, ohne sich um das Leben der Menschen zu fürchten, die ihr nahestehen – und ihr eigenes.

Das ausführliche Gespräch mit Oxana Matiychuk wird später Teil unserer Reisedokumentation sein.

Fotos: Christian Faludi

Eingangstor zur Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz, auf dem Banner steht ›Schutzraum‹


Eingangstor zur Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz, auf dem Banner steht ›Schutzraum‹
Flur vor dem Eingang in den Keller, auf dem Zettel steht ›Bunker‹


Flur vor dem Eingang in den Keller, auf dem Zettel steht ›Bunker
Tischtennis im Schutzraum während des Alarms


Tischtennis im Schutzraum während des Alarms
Gespräch im Schutzraum, Oxana Matiychuk und Tobias Schwessinger


Gespräch im Schutzraum, Oxana Matiychuk und Tobias Schwessinger